Blog - Nicht jeder will meditieren – und das ist okay.

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Am vergangenen Samstag war es wieder so weit: Ich durfte mit einer neuen Gruppe von Menschen hinaus in die Natur. Ich wusste wenig über die Teilnehmenden. Nur, dass sie neugierig genug waren, sich auf eine vierstündige Wanderung mit Achtsamkeitsimpulsen, Naturwissen und Raum für Austausch einzulassen. Und wie so oft zeigte sich schnell: Keine Gruppe ist wie die andere.

Was sich auf dem Papier als achtsamer Naturspaziergang beschreiben lässt, entwickelt sich in der Praxis meist ganz anders – je nachdem, welche Bedürfnisse, Interessen und Themen die Menschen mitbringen. Während bei früheren Gruppen die Stille, die Langsamkeit oder das intensive Erleben der Sinne im Vordergrund standen, spürte ich diesmal recht schnell: Das Thema Achtsamkeit löst wenig Resonanz aus

Und das ist vollkommen in Ordnung.

Die Kunst des Umschwenkens

Wenn ich eines in den letzten Jahren gelernt habe, dann das: Ein guter Rahmen ist wichtig, aber noch wichtiger ist es, ihn flexibel zu halten. Natur ist kein starres Konzept, und das Gleiche gilt für Gruppenprozesse. Also passte ich das Programm an. Statt in die Tiefe der Selbstwahrnehmung zu gehen, wurde es ein informativerer Walk. Ich begann, mehr zu erzählen: Über ökologische Zusammenhänge, über die Funktion von totem Holz im Wald, über Klimawirkungen von Vegetation oder den Umgang mit Holz als Ressource.

Die Reaktionen zeigten: Jetzt war Interesse da. Plötzlich entstanden Gespräche, Fragen wurden gestellt, eigene Erfahrungen geteilt. Was mich besonders berührte: Einige Teilnehmer kamen ins Reflektieren darüber, wie sie selbst mit Natur und Ressourcen umgehen – ohne dass ich diese Reflexion eingefordert hätte. Das ist für mich der wahre Wert solcher Walks: Die Natur ist der Impulsgeber, nicht ich.

Vom Laubwald zur Baustelle

Unsere Strecke führte uns durch verschiedene Landschaftstypen. Von offener Sonne hinunter in einen kühlen Laubwald, durch verwilderte, halbnatürliche Bereiche bis hinein in eine Monokultur. Jeder dieser Abschnitte hatte seine eigene Sprache, seine eigenen Geschichten. Und während wir die Unterschiede spürten, wurde auch die Diskussion differenzierter: Wie funktioniert ein gesunder Wald eigentlich? Was macht ihn resilient? Welche Rolle spielt Vielfalt – nicht nur bei Pflanzen, sondern auch bei Perspektiven?

Das letzte Stück führte uns zu einer Baustelle, auf der Holzabfälle herumlagen. Der Kontrast zur ökologischen Rolle von Holz war frappierend. Eine Teilnehmerin meinte lakonisch: “Da liegt mehr Holzabfall, als hier ins Dach kommt.” Solche Momente lassen mich innehalten.

Der stille Wegbegleiter

Trotz aller Gespräche war auch diesmal die Natur ständig präsent. Sie schob sich zwischen die Themen, sorgte für Pausen, brachte Licht- und Schattenspiele, ließ uns anhalten beim Duft einer Wildrose oder beim Geschmack von Walderdbeeren. Diese Momente sind nicht planbar, aber sie tragen das Erleben.

In solchen Augenblicken merke ich, wie wichtig es ist, das “Naturerleben” nicht zu dogmatisch zu denken. Nicht jede*r will meditieren, will barfuß gehen oder die Augen schließen. Und dennoch entstehen Verbindungen, wenn man sie lässt.

Der wichtigste Satz des Tages

Am Ende des Walks fragte ich wie immer in die Runde, was hängengeblieben ist. Ein Teilnehmer sagte nach kurzem Nachdenken: “Die Natur ist eigentlich ein Wunder. Wir müssten sie einfach nur in Ruhe lassen.”

Besser hätte ich den Tag nicht zusammenfassen können.

Was ich mitnehme

Für mich war diese Wanderung eine wertvolle Erinnerung daran, dass Achtsamkeit viele Gesichter hat. Sie kann in der Stille liegen – oder in einem guten Gespräch. Sie kann im bewussten Atmen bestehen – oder im Erkennen eines Systems, das man bisher übersehen hat. Es gibt kein Richtig oder Falsch.

Ich habe einmal gesagt: “Ich biete keine Waldbäder an, ich öffne Erfahrungsräume.” Und genau das versuche ich jedes Mal aufs Neue. Mal still, mal laut, mal wissend, mal staunend.

Lust bekommen?

Wenn du das spannend findest, dann komm beim nächsten Mal gern mit.

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