Wenn ich vorschlage einen Workshop oder ein Meeting ins Freie zu verlegen bekomme ich oft zu hören: “Das ist doch mega aufwendig!”, “Da braucht man doch so viel Ausrüstung!”, “Dafür haben wir doch gar keine Zeit!”. Diese Einwände höre ich am häufigsten. Und jedes Mal merke ich: Das Problem ist nicht die Natur, es ist nicht der Aufwand und auch nicht die Zeit. Das Problem ist die mangelnde Routine.
Deshalb möchte ich dir zeigen wie Aufwand rasant sinkt, sobald wir regelmäßig draußen arbeiten. Was sich in der Vorbereitung wirklich lohnt, wo du Material sparen kannst, und weshalb hybride Formate oft die besten Ergebnisse liefern. Vor allem aber: wie sich Ideen in der Natur anders, körperlicher, klarer, verbindlicher entwickeln und deshalb schneller in die Umsetzung kommen.
Stell dir vor, du gehst genau einmal im Jahr mit deiner Klasse, deinem Team oder deinem Projekt in die Natur. Du suchst aufwendig einen Ort, checkst Wetter und Anfahrt, fragst Kolleg:innen, ob jemand Erfahrung hat, packst sicherheitshalber den halben Moderationsschrank ein und planst minutiös. Am Tag X bist du halbe:r Logistiker:in, halbe:r Moderator:in. Klar fühlt sich das groß an.
Die gleiche Logik gilt überall: Dinge, die wir kaum tun, wirken überproportional anstrengend. Der erste Tag im neuen Job. Der erste Einsatz einer neuen Software. Die erste Unterrichtsstunde mit einer neuen Methode. Die erste Moderation mit unbekannter Gruppe. Erst mit Wiederholung entsteht Routine – und Routine frisst Aufwand.
Die gute Nachricht: Draußen ist extrem routinefreundlich. Nach zwei, drei Durchläufen kennst du deine Orte, weißt, welche Wege sich eignen, wie du Gruppen setzt, welche Alternativen es bei Regen gibt und ganz wichtig: Wie wenig Material du eigentlich brauchst.
Wer regelmäßig draußen arbeitet egal ob wöchentlich, zweiwöchentlich, monatlich erlebt fast immer dieselbe Kurve:
Die Nebeneffekte sind handfest: weniger Kosten (keine externen Locations, kaum Material), weniger Koordination (weil klar ist, wohin), weniger Ausfall (weil du einen Regenplan hast statt „bei unsicherem Wetter entfällt“).
Einer der hartnäckigsten Glaubenssätze lautet: „Wenn wir draußen arbeiten, brauchen wir alles, was drinnen hilft plus Outdoor-Extras.“, das führt schnell zu absurden Szenen: Flipcharts im Park, Metaplanwände im Wald, laminiertes Zubehör das im Rucksack knittert und Menschen in Outdoor Klamotten die fliegende Post-Its verfolgen.
Die Praxis zeigt das Gegenteil. Draußen wirken Reize, Räume und Rhythmen, die du drinnen künstlich erzeugen müsstest. Menschen kommen schneller ins Gespräch und ins Handeln. Du brauchst in der Regel:
Mehr ist fast immer weniger. Denn die Natur ist schon Bühne, Struktur und Impulsgeberin. Sie liefert dir Perspektivwechsel gratis: ein anderer Blickwinkel, ein anderer Untergrund, ein anderer Abstand. Wer sich darauf einlässt, spart Material – und gewinnt Aufmerksamkeit.
„Aber was, wenn uns Informationen fehlen? Ohne Internet kann ich doch nichts nachschlagen.“ Genau hier passiert die Magie. Draußen arbeiten heißt zunächst divergieren: Dinge auseinanderziehen, anreichern, sich erlauben, nicht sofort zu verifizieren. Diese kleine Informationsaskese stoppt die ständige „ich-google-mal-kurz“-Schleife und schenkt Denkzeit. Ein Vorgehen das nicht nur im Design-Thinking und vielen Liberating Structures gelebte Praxis ist.
Das Gehirn reagiert dankbar. Ohne ständige digitale Mini-Unterbrechungen formst du Gedanken zu eigenständigen Ideen, statt sie sofort an bestehende Dokumente anzudocken. Körperliche Bewegung: Gehen, Stehen, Positionswechsel verstärken das: Herz-Kreislauf, Atmung, periphere Wahrnehmung. Ideen werden verkörpert. Sie hängen an einem Ort, einem Weg, einem Geruch, an Licht durch Blätter. Genau das macht sie später drinnen robuster: Sie sind nicht nur Text, sie sind Erlebnis.
Ein häufiges Muster: Draußen entstehen die großen Skizzen, drinnen werden sie kleiner – aber realistisch. Das ist kein Verlust, sondern ein Gewinn. Die Natur lädt emotional auf, der Raum setzt in Verbindlichkeit um.
Ein bewährtes Setting ist das 2-Tage-Hybridformat:
Dieses Wechselspiel funktioniert in Unternehmen genauso wie in Schulen oder Hochschulkursen. Der Schlüssel ist die klare Funktionslogik: draußen divergieren, drinnen konvergieren.
Es gibt ein paar einfache Stellschrauben, die aus „Ausflug“ eine Arbeitsweise machen:
All diese Mikro-Methoden brauchen kaum Material, erzeugen aber klare Dynamik. Draußen heißt nicht „alles frei flottieren“, draußen heißt gute, schlanke Struktur.
Gerade in Schulen verknüpfen viele „Natur“ mit „Ausflug“. Aber Unterricht draußen kann ganz normaler Unterricht sein in Mathe, Bio, Deutsch, Ethik. Entscheidend ist die Routine:
Sicher passt es nicht für absolut jedes Thema aber nach drei, vier Wochen läuft es leicht. Die Klasse weiß, wie der Weg geht, was „Ankommen“ heißt, wie man draußen spricht und zuhört. Der Erwartungsrahmen nimmt dir die Organisation ab.
Einer der häufigsten Denkfehler im Unternehmen in Bezug auf die Arbeit im Grünen ist die Eventisierung. Einmal im Jahr raus, großer Tamtam, tolle Bilder. Dann wieder zwölf Monate Meetingraum. Effekt: null.
Besser ist ein Betriebsrhythmus:
Die Wiederholung senkt Aufwand, macht die Sache normal und hebt die Qualität spürbar. Viele Teams berichten nach kurzer Zeit: Die Gespräche werden ehrlicher, die Entscheidungen klarer, die Zeit disziplinierter genutzt.
Nach einigen Wochen spürst du drei Änderungen:
Und ja: Drinnen ist weiter wichtig. Wir brauchen Daten, Richtlinien, Tools. Aber wir brauchen ebenso Orte, an denen Ideen entstehen dürfen, bevor wir sie in Tabellen pressen. Draußen schenkt uns genau diesen Vorlauf.
Die größte Hürde ist nicht Wetter oder Material. Es ist unsere Gewohnheit. Einmal im Monat draußen ist besser als einmal im Jahr. Einmal pro Woche 30 Minuten sind besser als ein großer Ausflug pro Halbjahr. Mit der Routine kommt die Leichtigkeit und mit der Leichtigkeit kommt die Qualität.
Es zwingt dich niemand mit den ganz großen Themen allein in einem komplett neuen Setting zu starten. Finde kleine Themen, experimentier mit Formaten, Orten und Methoden. Wenn du heute beginnst, hast du in vier Wochen schon Routine. Und dann merkst du: Nicht die Natur war aufwendig.
Und wenn ihr für den Start oder große Themen Unterstützung braucht, dann meldet euch bei mir und wir finden eine Lösung die zu euch passt.