Dass Coaching in der Natur auch im Winter funktioniert, habe ich in einem anderen Blogbeitrag schon beschrieben. Der Satz „Es gibt kein schlechtes Wetter, nur die falsche Kleidung“ trifft zwar zu, aber es geht um mehr als nur Kleidung – es geht um die richtige Einstellung. Ich gehe mit dir als Coachee also auch bei Minusgraden raus, denn jede Witterung, jede Jahreszeit hat ihre ganz besondere Wirkung.
Heute möchte ich von einer Übung berichten, die ich draußen im Schnee gemacht habe.
Eingemummelt, mit einer Kanne warmen Tees und einem Snack für zwischendurch, stapfte ich mit meinem Klienten durch den winterlichen Wald. Die Luft war eisig, der Wind strich durch die Baumkronen, doch das reflektierte Sonnenlicht auf dem Schnee tauchte die Szenerie in eine ganz eigene Stimmung. Auch wenn ein Winterwald auf den ersten Blick schwer und dunkel wirken kann, war er gerade heute voller Klarheit und Energie.
Gemeinsam waren mein Klient und ich bereits eine Weile unterwegs und hatten viel über seine Situation gesprochen. Ich versuche in solchen Gesprächen immer, das gesamte Bild zu erfassen: Was passiert in deinem System? Welche Beteiligten gibt es? Wo sind die Stellschrauben für Veränderung? Und vor allem: Welche Möglichkeiten gibt es, etwas zum Positiven zu bewegen?
Dabei suchte er, wie viele Klienten nach seinem Problem und dessen Lösung im Außen, in seiner Umgebung und unter seinen Mitmenschen. Im Coaching geht es aber darum, wirksame Lösungen zu finden, die unter unserer Kontrolle stehen. Also zog ich den Kreis enger und lenkte das Gespräch schließlich auf sein Inneres. Gibt es da vielleicht manchmal Perspektiven und Muster in dir, die sich widersprechen, sich im Weg stehen oder sich gegenseitig stärken?
Mit dieser Frage leitete ich die Arbeit mit der Methode des Inneren Teams, einer systemischen Übung, ein. Sie hilft, sich dieser inneren Stimmen oder besser gesagt Anteile bewusst zu werden. Oft beeinflussen uns innere Anteile, ohne dass wir es bemerken, und sie zu erkennen, kann der erste Schritt zur Veränderung sein.
Nachdem wir einige dieser Anteile gefunden und ihnen Namen gegeben hatten, bekam mein Klient eine Aufgabe. Wir suchten uns ein Waldstück etwas abseits des Weges, und er sollte dort Naturmaterialien sammeln, die für ihn symbolisch für seine inneren Anteile stehen. Ich ließ ihn alleine auf die Suche gehen – soweit, dass er mich noch sehen konnte.
Zwar ist das Sammeln von Material in einem Wald normalerweise einfach, doch an diesem Tag lag Schnee. Die Materialien waren nicht offensichtlich sichtbar, sie mussten gesucht werden – genau wie die inneren Anteile, die oft verborgen liegen. Der Schnee machte die Aufgabe herausfordernder für den Klienten, aber genau das gab der Übung die Tiefe, die sie heute brauchte.
Tatsächlich kam er nach etwas mehr als einer halben Stunde mit einer Handvoll Fundstücke zurück: ein verzweigter Ast, große und kleine Zapfen, vermoderte Blätter und Steinchen hatte er gesammelt.
Als nächstes suchten wir uns einen großen, schneebedeckten Baumstumpf – eine perfekte Bühne für seine innere Aufstellung. Dort legte er seine Fundstücke aus und ordnete sie so an, dass sie sein aktuelles inneres Bild widerspiegelten.
Plötzlich wurde sichtbar, was im Gespräch zuvor noch diffus war:
Doch trotzdem war da eine Blockade. Die Angst und die Kritik waren lauter als die Offenheit und die Kreativität.
Wir betrachteten seine Aufstellung aus verschiedenen Perspektiven, umrundeten sie, verschoben Elemente, ergänzten neue Symbole. Stück für Stück nahm das Bild mehr Form an – bis er schließlich sagte: Ja, so sieht es in mir aus. Und so will ich eigentlich nicht, dass es aussieht.
Für ihn war es ein Schritt vorwärts, mit dem wir auf dem Weg zurück bereits anfangen konnten, Lösungen zu entwickeln. Wie bei allen Coaching-Methoden ist es mir dabei aber wichtig, eines zu erwähnen: Nicht jede Übung passt zu jeder Person und zu jedem Thema. Für mich macht gutes Coaching aber genau das aus – immer wieder neu zu denken und die passenden Methoden anzuwenden.
Um den Prozess für meinen Klienten festzuhalten, fotografierte ich die Aufstellung. Ich dokumentierte die Materialien, die verschiedenen Anordnungen und Veränderungen während des Coachings. Ich machte Aufnahmen aus verschiedenen Perspektiven, Richtungen und von kleinen Details. Am Abend schickte ich ihm die Bilder zu, damit er später darauf zurückblicken kann.
Diese Form der Dokumentation kann wertvoll sein. Sie macht die innere Arbeit sichtbar und ermöglicht es, Veränderungen nachzuvollziehen. Manchmal genügt ein Blick auf das Bild, um zu spüren, ob sich etwas verändert hat – oder was noch immer im Weg steht.
Coaching in der Natur bietet für solche Prozesse einen einzigartigen Rahmen. In diesem Fall waren es Schnee, Kälte und Licht die den Rahmen schufen. Es schaffte Klarheit, Perspektive, Tiefe. Spannenderweise spiegelt die Natur oft genau das, was auch in und mit uns passiert.
Als wir unsere Sachen packten und weitergingen, sah ich, wie sich etwas in meinem Klienten verändert hatte. In seinen Augen lag dieses Leuchten – das Gefühl, einen Schritt weitergekommen zu sein.
Und genau darum geht es.